Veröffentlicht in: Computerwoche 04/2022
Agile Methoden sind das Mittel der Wahl in der IT – auch bei der Zusammenarbeit mit Dienstleistern und Providern. Ein monatelanger Ausschreibungsprozess ist dafür ein schlechter Start. Auch Ausschreibungen lassen sich agil gestalten.
Fast zwei Drittel aller mittleren und großen Unternehmen beschäftigen sich nach eigener Aussage "stark" mit dem Thema Agilität, bei über 70 Prozent wird bereits agil gearbeitet, wenn auch noch nicht in allen Bereichen1 . Wenn Agilität zum Standard wird, müssen auch externe und ausgelagerte Services nach diesem Kriterium arbeiten. IT-Service -Provider sind dazu in aller Regel in der Lage. Aber vor einer agilen Zusammenarbeit mit einem agil arbeitenden Dienstleister steht nach wie vor – die Ausschreibung. Wenn sich der Auswahlprozess für einen Partner über viele Monate hinzieht, konterkariert das den gesamten Sinn der Agilitätsprinzipien. Verkürzt gesagt: Bis der Startschuss erfolgt, kann der eigentliche Anlass einer Auslagerung schon wieder Geschichte sein – oder sich zumindest signifikant verändert haben.
Wie also lässt sich bereits der Ausschreibungsprozess agil gestalten? Grundlegend anders als bei herkömmlichen Ausschreibungen ist der inkrementelle Ansatz. Anspruch ist nicht, alle Eventualitäten von vornherein abzudecken. Stattdessen wird eine Vision formuliert, unter der die Anforderungen sukzessive und Top-down formuliert und geschärft werden. Auch die Ausschreibung wird – wie jedes agile Projekt – in Sprints aufgeteilt. In jedem Sprint werden Fokus und Scope der Anforderungen vertieft und angepasst, um das Verständnis der Anbieter für die Anforderungen zu erweitern, so einen Rahmen für das Umsetzungsprojekt zu schaffen und das verbundene Risiko für beide Seiten zu reduzieren.
Damit dieser Blitzstart und Staffellauf funktionieren, haben sich 7 Prinzipien bewährt:
Auf Ergebnisse fokussieren, nicht auf Detailanforderungen
Für die auszulagernden Leistungen zusammen mit allen relevanten Stakeholdern ein Zielbild festlegen. Dies kann initial über eine Vision erfolgen. Daraus lassen sich High-Level-Anforderungen mit Epics oder User Stories ableiten. Dafür stehen inzwischen – abhängig vom Reifegrad der geplanten Lösung – auch Musterdokumente zur Verfügung.
Ausschreibung in Sprints gliedern
Auch eine agile Ausschreibung braucht Zeit. Während der Abwicklung ergeben sich mit hoher Wahrscheinlichkeit neue Entwicklungen im Unternehmen oder im Markt, und das Team produziert neue Ideen. Eine Gliederung der Ausschreibung in Sprints eröffnet die Möglichkeit, Anforderungen und Lösungen sukzessive in jedem Sprint zu entwickeln und zu schärfen.
Produkteigner, Experten und einen Agile Master im agilen Rollenverständnis benennen
Für ein agiles Vorgehen müssen die wichtigen Rollen beim ausschreibenden Unternehmen verankert werden. Hierzu gehört der Produkteigner, der Ausschreibungsziele und fachliche Anforderungen formuliert. Daneben ist der Agile Master dafür verantwortlich, dass die agilen Werte auch wirklich gelebt werden – ansonsten droht ein Rückfall in die klassischen Verhaltensmuster. Ideal ist es, wenn Anbieter diese Rollen spiegelbildlich besetzen – das erleichtert eine nahtlose Kooperation und insbesondere Kommunikation erheblich.
Anbieter frühzeitig über Workshops in die Lösungsfindung einbinden
Auslagerndes Unternehmen und Anbieter haben oft eine unterschiedliche Sicht auf mögliche Lösungsansätze und das Lösungsdesign. Eine gemeinsame Betrachtung birgt viel Potenzial für Optimierung. Ein frühzeitiger Austausch in Form von Workshops ist deshalb empfehlenswert.
Innovationen von Anbieterseite und von den eigenen Mitarbeitern fördern
Die agilen Werte (Vertrauen, Partnerschaft etc.) müssen tatsächlich "gelebt" werden. So entsteht eine Basis für höchstmögliche Innovationsbereitschaft. Die Partner sollten von Anfang an auf Augenhöhe offen kommunizieren, z. B., indem alle verfügbaren Informationen zu den Anforderungen und Rahmenbedingungen geteilt werden. Hier gilt der Ansatz maximaler Transparenz, so dass der Anbieter selbst entscheiden kann, welche Informationen im Sinne eines Data Mining von Relevanz sind.
Wirksame Feedback-Schleifen einrichten
Anbietern dem eigenen Team über Retros die Möglichkeit eröffnen, um regelmäßig Feedback nicht nur über die erzielten Ergebnisse, sondern auch die Art der Zusammenarbeit zu geben.
Art der Zusammenarbeit vertraglich regeln
Im Rahmen einer agilen Ausschreibung wird die Lösung oft erst während der Transformation entwickelt. Eine umfassende vertragliche Regelung ist deshalb nicht realistisch. Als gute Lösung haben sich agile Werkverträge erwiesen. Dabei werden die Art der Zusammenarbeit in Form von Sprints, initiale Anforderungen über ein Backlog sowie der Personaleinsatz definiert. Der Produkteigner priorisiert diese Anforderungen dann während der Umsetzung dynamisch im Backlog.